Geschichte

Im Jahr 1685 zerstörte ein Stadtbrand fast das gesamte Altendresden. Im Anschluss daran gab August der Starke den Auftrag zum Wiederaufbau, mit dem Plan, dass dabei eine prachtvolle Promenade errichtet wird, die auf direktem Weg zum Schloss führt. So wurde zwischen 1687 und 1732 die heutige Hauptstraße angelegt. Ein kurfürstliches Patent aus dem Jahr 1732 nannte den im Neuaufbau befindlichen Stadtteil „Neue Stadt bey Dresden“ – die heutige Innere Neustadt. Auf der Hauptstraße bezog in den Zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts Regierungskanzlist Hoffmann, ein Beamter von August dem Starken, eine Wohnung im Haus Nr. 19 und ließ im Hinterhof ein geselliges Ballhaus für das aufstrebende Bürgertum im spätbarocken Stil bauen. Doch das Bürgertum kam nicht, wie erhofft. Das Haus stand mehr oder weniger leer.
Im Jahre 1779 fand die erste Dresdner Theater-Societaet das schöne Hinterhaus und richtete es als Bühne her. Die Laienkünstler wollten hier unabhängig von Witterungsbedingungen neue deutschsprachige und bürgerliche Stücke unter festem Dach für die Dresdner spielen. Doch die revolutionären Ansätze des deutschen Theaterfrühlings alterten schnell. 1832 löste sich die Theatersocietaet auf und das Haus stand wieder leer. Es überstand 150 Jahre fast unbeschadet, doch der Zahn der Zeit nagte an Dach und Gemäuer. Schließlich drohte 1979 der Abriss, wäre da nicht eine Gruppe von Theaterenthusiasten auf das Haus aufmerksam geworden…

Das gesellige 18. Jahrhundert - Bürger im Aufbruch

Nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges regen bürgerliche Societaeten längst überfällige Reformen in Handel, Gewerbe und Landwirtschaft sowie im Schul-und Armenwesen an. In literarischen Vereinigungen wurde die, bisher an den Höfen nicht standesgemäße, deutsche Sprache gepflegt. Die Gesellschaften waren für jeden offen und, im Gegensatz zu den späteren Salons, sehr gut organisiert. Auch das Societaetstheater ist auf solch eine Vereinigung aufgeklärter Bürger zurückzuführen. Ihre Kunst fand damals irgendwo zwischen der Nachahmung höfischer Bühnengepflogenheiten und ihren ganz eigenen Vorstellungen statt.

Der Freundeskreis „Societaetstheater“ wurde am 19.5.1776 gegründet, als „Gesellschaft längst verbundener Freunde, (die) bey gleichem Geschmack an Kunst, und bey ähnlichen Trieben zur geselligen Freude (...) mit vereinten Kräften an (der) Errichtung einer Privatbühne arbeiteten“. Zunächst bestand die Vereinigung aus 15, später aus 50 bis 75 Mitgliedern, die neben ihrer neuen Freizeitbeschäftigung im öffentlichen Leben als Hofbeamte, Kaufleute, Gelehrte und Dichter tätig waren. So spielten im Societaetstheater hochambitionierte Laien, die regelmäßig deutschsprachige Theaterstücke aufführten.

Ihre erste Spielstätte war die provisorische Bühne im Gartensaal „Vor dem Falkenschlag“ in der Dresdner Friedrichstadt. Hatte der Zuschauerraum gerade einmal 50 Plätze, kamen sie schon bald beim Dresdner Hofbuchhändler Conrad Georg Walther unter, dessen Gebäude ihnen dreimal so viel Platz bot. Doch diese Gastfreundschaft endete mit dem Tod des Gönners. Kurz darauf musste erneut mit der Suche nach ausreichend großen Räumlichkeiten für das Theaterspiel begonnen werden.

Einzug der Theatersocietaet ins heutige Gebäude

1779 zog die Vereinigung in die heutige Innere Neustadt. Ins Gartengebäude von Johann Christoph Hoffmann, Regierungskanzlist von August dem Starken. Ein bis dahin verborgener Schatz. „Ein Saal, der (...) zu Maskeraden bestimmt war und seine Bestimmung nie erreichte, mitten in der (...) Hauptstraße in einem eigenen Hintergebäude gelegen, wurde (...) zum Schauplatze eingerichtet. Er fasst Parterre und auf der mit einem Amphitheater versehenen Galerie 250 Zuschauer, und im Orchester spielen 24 Musiker.“

Auf dem Spielplan des Societaetstheaters standen im Wesentlichen Komödien, Tragödien, Schauspiele, dramatische Sprichwörter, Opernszenen, Kammerkonzerte, Lieder, Singspiele und Komische Opern. Allerdings räumte man der leichten Muse mehr Raum ein als den Schauspielen, Tragödien oder Singspielen. War das Societaetstheater ursprünglich als reine Laienbühne gegründet, so verwischten nach der Jahrhundertwende die Grenzen zwischen „Dilettantismus“ und „Professionalität“, da immer mehr professionelle Schauspieler des Dresdner Hoftheaters der Vereinigung beitraten.

Aufstieg und Fall der Societaet

Das Bürgertheater kam gut an. Kurz nach seiner Gründung entstanden in Deutschland ähnliche neue Theatergesellschaften. 1802 existierten bereits weitere zwölf Liebhabertheater. Diese Entwicklung jedoch war vielen Anfeindungen ausgesetzt: Pädagogen, Juristen, Staatsdiener, Dichter und Gelehrte zeigten sich besorgt, dass Kunst, Gesellschaft und Staat durch die wachsende Zuwendung der Bürger zum Theaterspiel Schaden nehmen könnten. Debatten über Nutzen und Schaden des „Dilettantenspiels“ wurden in Zeitschriften und in der Literatur geführt, die zu Theaterverboten durch die Obrigkeit führten. Das Societaetstheater blieb davon weitgehend verschont, was es unter anderem seinem guten Ruf und der Mitgliedschaft hoch aristokratischer Kreise verdankte.

Mitte der 20er Jahre des 19. Jahrhunderts kam es zu gespaltenen Kunstauffassungen innerhalb der Societaet. Es kriselte. Die Entwicklung des deutschen Theaters war vorangeschritten, Hof- und Nationaltheater hatten die führende Rolle übernommen und ihre technische und künstlerische Überlegenheit gegenüber den Liebhaberbühnen geltend gemacht. Das Societaetstheater geriet von seiner einstigen zentralen Stellung im Kulturleben der Stadt in immer größere Isolation. Auch repräsentative Mitglieder blieben zunehmend aus und wendeten sich neuen, größeren Bühnen zu. Am 19. Mai 1832, auf dem Tag genau 56 Jahre nach der Eröffnung der Bühne, wurde das Societaetstheater für den regelmäßigen Spielbetrieb geschlossen.

Neues Theater auf alten Brettern – Die Wiedergeburt

In den 1930ern diente das Gebäude als Wohn- und Geschäftshaus. Seine Mauern trotzen zwar dem Zweiten Weltkrieg, doch fristete das historische Gebäude des Societaetstheaters in der DDR-Zeit ein Schattendasein, bis es fast gänzlich verfiel. Dem Engagement kulturinteressierter Dresdner ist es zu verdanken, dass das Gebäude 1979 vor der Abrissbirne des Sozialismus gerettet wurde. Dank der Unterstützung der Kulturstiftung Dresden der Dresdner Bank wurde das alte Gebäude nach historischen Vorlagen wieder aufgebaut und konnte am 19. Februar 1999 als städtische Theater gGmbH den Vorhang für unabhängige, professionelle Theaterproduktionen aus dem In- und Ausland öffnen.

 

(Textausschnitte und Fotos: Der Mensch hascht unaufhörlich nach Vergnügen. Zur Geschichte des Societaetstheaters in Dresden und anderer „Bühnen im Taschenformat“ von Eckhard Gruber, 1998.)