Ich wurde am 17. Januar 1937 in Dresden Trachenberge, Rückertstr. 16 geboren. Mein Vater wurde am 1. September 1939 in den Krieg eingezogen. Ich wuchs behütet bei Mutti, Oma und Uroma auf. An den Abend des 13. Februar 1945 kann ich mich noch genau erinnern.
Als die Sirenen ertönten, gingen wir außer meiner Uroma in den Keller. Meine Lieblingspuppe Eva war immer dabei, in einem Beutel. Ich habe sie heute noch. Meine Uroma ging nie mit uns in den Keller. Doch an diesem Abend kam sie nach dem Angriff runter. Die Hausbewohner wunderten sich. Sie sagte, der Himmel ist feuerrot, es muss wohl die ganze Stadt brennen. Dann gingen wir alle in den Hof und sahen den feuerroten Himmel.
Ich kann mich auch noch genau an die Tage danach erinnern, als wir Kinder an der Ecke Rückert-Großenhainer Straße standen und die Karawanen der Lastenwagen mit den Leichen sahen, die zum Heidefriedhof fuhren.
Ich habe heute noch sehr guten Kontakt zu einer Freundin, die 1951 nach München ging. Der 13. Februar ist ein Tag, den wir nicht vergessen können. Jedes Jahr um diese Zeit rufen wir uns an und sprechen davon.
Unsere Nachbarin, Frau Trautmann, arbeitete als Krankenschwester in Neustadt /Sachs. - auch am 13.2.45. Von dort nahm sie den Feuerschein von Dresden wahr und wusste, dass etwas passiert sein musste. Sie lief die ganze Nacht hindurch nach Dresden, wo ihre Familie lebte. Als erstes kam ihr ein Känguru entgegen, das aus dem Zoo entlaufen war. Ihre Familie aber fand sie nie....
Über Polen erreichte sie genau am 13.2. 1945 Dresden. Sie geriet in den Feuersturm und wachte nackt auf einem Leichenwagen auf.
In Magdeburg haben wir Fluggeschwader gehört und gesehen. Wir dachten, die sind für uns, aber sie flogen weiter nach Dresden. Den roten Himmel haben wir in 190 Kilometern Entfernung gesehen.
Das Geschirr ist doppelgebrannt mit Dreck und Farbveränderungen. Ich halte es sehr in Ehren.
Sie wurde von einem Luftschutzwart in den keller Bautzner/Ecke Prießnitzer Straße gezogen. Sie aber riss sich los und lief nach Hause. Niemand in dem Luftschutzkeller überlebte, das Haus wurde von einer Bombe getroffen.
Ich habe das Bombardement erlebt im Keller am Goldenen Reiter. Als wir dann wieder raus sind, sahen wir die ersten Toten.
Vor 15 Jahren wollte ich am 13. Februar nach Hause in die Neustadt und kam nicht durch wegen brennender Barrikaden.
Jorge Gomondai wurde 1962 in Chimolo. Mosambik geboren und kam 1980 als sog. Werkvertragsarbeitnehmer in die DDR. Als damalige Ausländerbeauftragte hatte ich damals viele Gespräche mit ihm. Wir sprachen über Kolonialismus, Armut, Unterdrückung und vieles andere.Er sagte zu mir; Du hast Zugang zu sauberem Trinkwasser, Du hast ausreichend zu essen, Du hast eine Wohnung, Du bist krankenversichert, Du hast Zugang zu kostenloser Bildung, Du hast bezahlte Arbeit oder beziehst Unterstützung bei Arbeitslosigkeit. Was brauchst Du noch? Nach 1989 verloren auch viele Ausländer in Ostdeutschland ihre Arbeit. Jorge fand zum Glück eine neue Arbeit in Holland. Um Ostern 1991 kam er für einen kurzen Besuch nach Dresden. Nach einem Besuch in Klotsche sitzt er kurz nach 4 Uhr in einem Straßenbahnwagen der Linie 7 in Richtung Albertplatz, außer ihm sind noch 2 weitere Personen in der Bahn. Am Albertplatz steigen sie aus, eine größere Gruppe Jugendlicher betritt die Bahn. Die 2 Männer, die ausgestiegen sind, schauen der anfahrenden Bahn hinterher und sehen, dass ein Mann mit dem Kopf voran, aus der Tür fällt. Jorge Gomondai erlitt schwerste Hirnverletzungen und verstarb 5 Tage später, am 6. April, in der Universitätsklinik. Die letzten Tage seines bewussten Lebens müssen schrecklich für ihn gewesen sein. Die Männer schubsten und schlugen und demütigten ihn. Er hat in Todesangst die Tür der fahrenden Straßenbahn geöffnet und ist hinausgesprungen oder wurde hinausgestoßen. Jorge wurde 29 Jahre alt. Zusammen mit Christoph Ziemer rief ich für den 11. April zu einem stillen Trauermarsch auf, an dem mindestens 7000 Dresdner teilnahmen. Wir liefen zum Ort, an dem Jorge aus der Bahn fiel. Mit Ketten, Schlagstöcken bewaffnete Rechtsradikale griffen den Trauermarsch an, riefen faschistische Parolen, einige wurden dann nach Handgreiflichkeiten von der Polizei gestoppt. Allerdings waren die polizeilichen Ermittlungen sehr unzureichend. Die zuerst am Tatort herbeigerufenen Polizisten hatten vermutet, das Jorge betrunken sei und deshalb neben der Bahn lag. Dadurch wurden kaum Spuren gesichert und auch keine Zeugen vernommen. Das nach den Tod einsetzende Medieninteresse bewirkte wohl neue Ermittlungen, welche sich über 2 Jahre hinzogen. Dann endlich Gerichtsverhandlung, die sich als überaus hässlich gestaltete. Es gab schwerste Versäumnisse; die Verhörprotokolle waren teilweise nicht unterschrieben worden, es gab kaum Spuren. denn auch die Straßenbahn war verschrottet worden. Rechtsextreme Anhänger störten den Prozess wiederholt. Er endete im Oktober 1993 mit der Verurteilung von 3 Angeklagten Der Hauptangeklagte erhielt eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten, die zwei anderen Mitangeklagten 1 Jahr und 6 Monate sowie einer Geldstrafe. Die Ermittlungen gegen 8 weitere Verdächtige wurde fallengelassen. Bei Gericht wurde mir deutlich; Für die Rechtsextremen war es ein Erfolgserlebnis, ein gefühlter Sieg. Ein Kanacke weniger. Etwas, womit man in der Kneipe vor den Kameraden angeben kann.
1993 errichteten wir den Gedenkstein für Jorge Gomondai, der seitdem mehrfach geschändet worden. An das Mahnmal wurden Nazisymbole angebracht. Sein Tod war den Mördern nicht ausreichend; auch sein Name musste geschändet werden.
2007 haben der Ausländerbeirat und die Ausländerbeauftragte dann erreicht, das der Platz den Namen Jorge Gomondai trägt.
Freundschaften für's Leben. Gegenseitige Fürsorge und Unterstützung. Kinder spielen und lachen. Grün. Natur. Heimatgefühl.
»Judenlager Hellerberg«: Das sogenannte Judenlager Hellerberg war ein Sammellager auf dem Heller unweit von Dresden. Es diente vom November 1942 bis März 1943 als Lager für die bei Zeiss Ikon zwangsarbeitenden Juden Dresdens. Alle Lagerinsassen wurden Anfang März 1943 in das KZ Auschwitz deportiert. Nachweislich überlebten nur zehn der 293 Gefangenen des Lagers den Holocaust. Von Mai 1943 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Lager unter dem Namen Lager Kiesgrube als Entbindungslager für Kinder von Ostarbeiterinnen weitergenutzt; über 200 Kleinkinder verstarben in dieser Zeit im Lager an bewusster Mangelversorgung. Die Lagerräumung erfolgte schließlich am 2. März 1943. Zu dem Zeitpunkt befanden sich unter den Gefangenen 293 Dresdner, die über den Bahnhof Dresden-Neustadt am 3. März 1943 nach Auschwitz deportiert wurden. Die Selektion überstanden ca. 50 der Dresdner Gefangenen. Nachweislich haben nur zehn Insassen des Transports den Holocaust überlebt, darunter der Musiker Henry Meyer. Das Lager wurde mit dem Abtransport weitgehend aufgelöst.
GEDENKEN - Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit brachte 2002 im Rahmen des Projekts Wege der Erinnerung eine Erinnerungstafel an dem ehemaligen Lagergelände an; eine neue Tafel wurde 2012 an der Einmündung Hammerweg aufgehängt. Seit 2009 erinnert ein sogenanntes Denkzeichen vor dem St.-Pauli-Friedhof an das Lager. Auf der Plakatwand sind unter anderem die Namen aller deportierten Lagerinsassen zu lesen. Das „Judenlager Hellerberg“ ist als Leidensstation auf in Dresden verlegten Stolpersteinen vermerkt. Die Kennzeichnung erfolgt dabei in der Abfolge »interniert 1942 / Hellerberge / deportiert 1943 / Auschwitz«.
Sowohl Judenlager Hellerberg als auch Lager Kiesgrube sind als Teil des Kunstprojekts Gravuren des Krieges mit Mahndepots markiert worden (Nr. 9 bzw. Nr. 62). Auf dem St.-Pauli-Friedhof, auf dem zahlreiche der im Lager Kiesgrube verstorbenen Kinder beigesetzt wurden, existierte ein einfacher Grabstein, der auf die beigesetzten Kinder hinwies. Unter Beteiligung von Schülern wurde eine neue Gedenkstätte entworfen, die am 6. November 2015 eingeweiht wurde. Sie ist ca. 90 Meter lang und besteht unter anderem aus individuellen Grabsteinen für jedes der 225 verstorbenen Kinder.
(Quelle: Marcus Gryglewski: Zur Geschichte der nationalsozialistischen Judenverfolgung in Dresden 1933–1945. In: Norbert Haase, Stefi Jersch-Wenzel, Hermann Simon (Hrsg.): Die Erinnerung hat ein Gesicht. Stiftung Sächsische Gedenkstätten und Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig 1998, S. 98 f. und wikipedia: de.wikipedia.org/wiki/Judenlager_Hellerberg)
Als ich für das Studium in DD in die Friedrichstadt gezogen bin, dachte ich noch »Oha, wo bin ich denn hier gelandet...? Hier zieh ich besser bald wieder weg,« Das ist jetzt über 10 Jahre her und Überraschung: ich bin nie umgezogen. Seitdem ist viel passiert und ich konnte mit der Zeit immer neue Orte entdecken und interessante Menschen kennenlernen. Seien es die Kneipen des Vertrauens (eine z.B. ganz in der Nähe der Boje) oder das Ostragehege samt Hügel und Elbe und andere schöne Ecken und Locations, mit denen ich etwas verbinde. Ich möchte die Friedrichstadt mit ihrem besonderen und irgendwie unbedarften Charme nicht mehr missen. Leider beobachte ich aber auch, wie hier seit einigen Jahren massiv bebaut und verdichtet wird. .. Und klar, Veränderungen und Neues gehören immer dazu, keine Frage. Aber ich sorge mich um den eben genannten Charme des Stadtteils. Ich hoffe dennoch, dass trotz oder auch gerne durch die Neuerungen, die Friedrichstadt lebendig und eigen bleibt und nichts von ihrer Sympathie verliert - und bleibe zuversichtlich :) - OaK
» Hallo liebes Team der Wanderboje, wir finden euer Projekt sehr spannend und sind auf die Eindrücke gespannt. Unsere Erinnerungen zur Friedrichstadt: Wir haben im letzten Jahr zum Friedrichstadt Straßenfest einen kritischen Stadtrundgang organisiert und uns mit den Veränderungen beschäftigt. Ob mobile Jugendarbeit, Kinderladen oder VONOVIA Mieter*innen an der Schäferstraße - die Friedrichstadt ist einer der Orte, wo aktuell sehr viele Menschen vor Verdrängung aus der Innenstadt bedroht sind. Lange Jahre sehr wenig beachtet, zeichnet sich aktuell eine Turbo-Verdrängung ab. Getrieben durch den Investorendruck von VONOVIA trägt hierzu auch die Stadt Dresden eine große Mitschuld, indem sie wenig eingreifend diesen Prozess stattfinden lässt. Werden auf der einen Seite stadtverschönernde Maßnahmen betrieben wie die Grünbegleitung an der Schäferstraße wird versäumt, die bestehenden Mieter*innen vor steigenden Mieten zu schützen. So sind in der Friedrichstadt die Mieten in den letzten 11 Jahren um 39% gestiegen. Im Vergleich: Dresdner Neustadt "nur" um 32%. Durch den erheblichen Neubau im gehobenen Bereich mit Mieten von >10 EUR/m² wird der Mietspiegel sukzessive nach oben getrieben und damit Druck auf die vergleichsweise niedrigen Bestandsmieten ausgeübt, die in der Mietspiegelberechnung kaum Berücksichtigung finden. Falls ihr gern eine ausführliche Erinnerung dazu aufnehmen wollt, können wir dazu auch noch mehr schreiben. « +++ Eure Recht-Auf-Stadt Gruppe »Unsere Straße - Unsere Stadt« als Teil des Dresdner Bündnis »MietenwahnsinnStoppen!«
» Was aber verbarg sich hinter der Bezeichnung 'Schwachsinn'? Was war ausschlaggebend für eine solche Diagnose? Für die Prüfung des Antrages auf Zwangssterilisierung waren im ganzen damaligen Reichsgebiet Erbgesundheitsgerichte eingerichtet worden. Diese gliederte man den jeweiligen Amtsgerichten an. In nur wenigen Verhandlungsminuten prüfte eine dreiköpfige Kommission des Erbgesundheitsgerichtes [...] den Fall und ordnete meistens die Sterilisierung an. Der Betroffene kam kaum zu Wort. Als Prüfung seiner Intelligenz dienten sogenannte Intelligenzfragebögen. Machte der Patient zu viele Fehler, war der ""Schwachsinn"" bewiesen. In anderen Fällen reichte das ärztliche Gutachten des antragstellenden Arztes, des Heimarztes bei Patienten aus psychatrischen Pflegeanstalten oder des Amtsarztes aus, um eine Unfruchtbarmachung anzuordnen. [...] «
Unter Eufingers Leitung wurden von 1933 bis 1939 insgesamt 708 Frauen zwangssterilisiert: 51 % wegen angeborenem Schwachsinn, 29% wegen Schizophrenie, 14% aufgrund einer Epilepsie. [...]
Heinrich Eufinger, 1935-1945 Chefarzt der Frauenklinik Dresden-Friedrichstadt , passte in das Bild des »linientreuen« Mediziners. Seine Biografie ist nicht nur gekennzeichnet durch das Streben nach Anerkennung seiner ärztlichen Leistungen, sondern sie ist auch verbunden mit Karriere in Partei und Standesorganisationen während der NS-Zeit. Er hatte mit seiner Frau Erna Möhle zwei Kinder, Renate und Ema. Letztere wurde in den 1950er Jahren die Ehefrau des heute weltbekannten Malers Gerhard Richter.
Im Haus Emerich-Ambros-Ufer 50 (ehemals Weißeritzufer 50) waren vom 12. September 1944 bis 19. Februar 1945, 599 Zwangsarbeiter untergebracht auf 4-stöckigen Holzpritschen ohne Heizung, mit Toilette, es gab nur kaltes Wasser. Sie arbeiteten für das Reichsbahnausbesserungswerk (Quelle: Ulrich Fritz, Dresden (Reichsbahnausbesserungswerk), in: Benz/Distel, Der Ort des Terrors Bnd 4, S.91-94)
Hier könnte auch unser polnischer Nachbar interniert gewesen sein, der uns Ende der 90er Jahre folgende Geschichte erzählte: »Ich war Zwangsarbeiter in Dresden und da habe ich während des Bombardements brennende Kinder aus dem Feuer gerettet. Das musste ich doch tun!" Aber darf ein polnischer Zwangsarbeiter deutsche Kinder retten? Jahrelang wurde er in seinem polnischen Dorf deswegen diskriminiert und als "Deutscher" diffamiert.«
Mein Vater Hans-Joachim Birninger ist als 10jähriger Flüchtling von Grünberg, Schlesien, kommend in der Nacht vom 13. Februar 1945 auf dem Hauptbahnhof gewesen. Er hat durch Zufall noch den letzten Zug Richtung Bischofswerda erwischt. Dort in der Nähe, in Burkau, wohnten Verwandete, zu denen er mit seiner Mutter und den Geschwistern reisen wollte. Am 10. Februar waren sie aus Grünberg ausgewiesen worden. In Burkau sahen sie die Flugzeuge, die den Tod nach Dresden brachten.
Elke Birninger
Die Bomben zerreißen seine Zukunft, der junge Fabrikanten-Sohn beginnt sein Leben als Schlosser. +++ Opa hatte sich später zum Ingenieur hochgearbeitet. In der DDR konnte er als Kleinkapitalist kaum auf Entschädigung hoffen und arrangierte sich mit seiner Position im Werkzeugkombinat Schmalkalden. Nach der Wende hoffte er dann nochmal auf Genugtuung und schrieb etliche Briefe an Helmut Kohl. Wenn er ihn im Fernseher erblickte, beschwerte er sich bei ihm, dass seine Probleme nicht gehört werden. Wir Kinder lachten heimlich über den alten Mann, der mit dem Fernseher sprach.
„Nur mühsam konnte ich mir einen Weg durch die dicht gedrängte Menge vor dem Bahnhof bahnen. Im Bahnhof selbst lagen Flüchtlinge Schulter an Schulter auf dem Fußboden. In Decken gehüllt oder mit Mänteln zugedeckt. Säuglinge und kleine Kinder schrien. Die Mütter waren verzweifelt, viele weinten, einige schliefen mit angezogenen Knien auf der Seite liegend. Ein Bild des Elends! Es waren Flüchtlinge aus Schlesien. Viele Familien waren getrennt worden. Einige Mütter riefen laut den Namen ihrer Kinder in der Hoffnung, sie hier in den Menschenmassen auf dem Dresdner Hauptbahnhof wiederzufinden. Sie hatten Schreckliches erlebt.“ (Gisela Neuhaus)
Auszüge aus einem Interview mit Olga Horak (auf einem Todesmarsch von Kurzbach in das KZ Bergen-Belsen gezwungen, kam sie am 16. Januar 1945 während eines Luftangriffs durch Dresden): "[...] ich selbst habe gesehen, während wir gelaufen sind, wie die deutsche Bevölkerung evakuiert wurde. Die Leute waren auf Pferdewägen. (...) Die Leute haben uns gesehen! Die Leute wussten, wer wir waren. Es ist schrecklich, das überhaupt kein Mitleid gezeigt wurde, von niemandem. Und da handelte es sich nicht um Männer oder Soldaten oder die Wachposten. Es handelt sich um die ganze Bevölkerung, die wußte, was los ist."
Transporte von Truppen und Material an die Front und von Gefangenen in die Vernichtungslager wurden über Dresden abgewickelt. Aus dem Osten strömten Millionen Flüchtlinge vor allem nach Mitteldeutschland. Als Ende 1944 immer mehr Menschen aus dem Osten flohen, war Dresden, für das ein Zuzugsverbot galt, für sie Durchgangsstation.
Mein Vater Hans-Joachim Birninger ist als 10jähriger Flüchtling von Grünberg, Schlesien, kommend in der Nacht vom 13. Februar 1945 auf dem Hauptbahnhof gewesen. Er hat durch Zufall noch den letzten Zug Richtung Bischofswerda erwischt. Dort in der Nähe, in Burkau, wohnten Verwandete, zu denen er mit seiner Mutter und den Geschwistern reisen wollte. Am 10. Februar waren sie aus Grünberg ausgewiesen worden. In Burkau sahen sie die Flugzeuge, die den Tod nach Dresden brachten.
Elke Birninger
Ich finde es nicht gut, dass die Dresdner Innenstadt voll mit nachgebauter Architektur ist. Nichtsdestotrotz ist der Theaterplatz ein besonderer Ort, den ich mit meiner kurzen Rundfahrt zu würdigen vermag. (Pete Welchman)
Meine Mutti war damals 19. Ich dachte ich kenne schon alle Geschichten, aber erst kürzlich hat sie mir wieder eine erzählt: Meine Mutti fertigte damals zusammen mit ihrer Mutter in Heimarbeit Schuheinlagen für Militärstiefel an. Dazu bekamen sie lange dünne Ruten, ca. 1Meter lang, vermutlich Weidenruten. Aus denen mussten sie mit Messern lange dünne Fasern abspalten. Diese wurden dann zu dünnen Zöpfen geflochten und in Schlangenmustern zu Innensohlen für Schuhe zusammengenäht. Genau am 13.2.45musste sie wieder ihr Kontingent von Schuhsohlen abliefern - und zwar genau an der Frauenkirche, dort war die Sammelstelle. Später saßen sie im Keller in ihrem Haus in der Südvorstadt. Sie hatten sich zum Schutz gegenseitig die Hände auf den Kopf gelegt. Das Haus bekam einen Bombentreffer ab, aber sie überlebten. Sie flüchteten sich den Plaunschen Berg hinauf zum Bismarck-Denkmal. Von dort sahen sie die brennende Stadt.
"Es ist schon in Zitaten und Hofberichten von dieser Veranstaltung hier die Rede gewesen. Aber die Sache will’s, dass nochmals ausführlich davon gesprochen werde, sei es auch nur der Geschichtswissenschaft wegen. Es werden Zeiten kommen, in denen die Menschen nicht glauben wollen, dass so etwas einmal möglich war, vor allem die nicht, die selbst daran teilgenommen haben." (aus: Paul Bekker: Die Reichstheaterwoche. Pariser Tageblatt, Jg. 2, 1934)
Mein Erinnerungssplitter an den Theaterplatz: Als ich in den 80er Jahren nach Dresden kam, ging ich immer am Bauzaun vor der kaputten Semperoper entlang. Ich habe mich so gefreut, als sie endlich wieder aufgebaut wurde.
Gertrud Döhnert (1891-1992) begann 1919 als Schreibkraft in der Intendanz der Staatstheater und war später persönliche Mitarbeiterin der GMDs Busch, Böhm, Elmendorff, Keilberth, Konwitschny. Gertrud Döhnert ist 1992 im Alter von 101 Jahren verstorben
Und dann war der Dienstag, der 13.2. 1945, da. Der Tag begann wie jeder andere. … Abendbrot, ausziehen, ins Bettchen und unsere Mutter hat sicher noch ein Märchen vorgelesen oder wir haben gesungen: Maikäfer flieg …
… Die ersten Bomben schlugen ein, erst in der Ferne, aber unaufhaltsam näherkommend. … Diese Kombination des Zischens, des Wummerns, des Heulens, des Pfeifens und »Tanzens« verdichtete sich immer mehr zu einem Geräusch- und Bewegungspegel von bisher nie gekanntem Ausmaße. … Nur aufhören sollte das, einfach aufhören, ganz gleich wie. … Und dann waren aus der nachlassenden Geräuschkulisse keine Einschläge (mehr) zu hören. Das Pfeifen und Kreischen verebbte. Jetzt bestimmten die Töne der brennenden, zusammenfallenden Gebäude, das Rauschen des aufkommenden Feuersturms das Geschehen.
Dann kamen die Worte: »feindliche Flieger nähern sich Dresden, die ersten Bomben fallen«, und dann kamen diese verheerenden Bomben auch über unser geliebtes Opernhaus. Man hörte die Schläge direkt über unseren Köpfen. Wie lange es dauerte, weiß ich nicht mehr, aber es wurde wieder ebenso grauenhaft still. Direktor Brandt stellte fest, dass der Feuerstrom in die Bühneneingänge hinunterzukommen schien. Es war noch die Möglichkeit, die im Haus befindlichen Musikinstrumente aus dem Hause und in den Bunker im Zwingerwall zu schaffen. Dort verblieben wir, das heißt einige der diensthabenden Luftschutzmitglieder, die über ihre Familie in Ungewissheit schwebten, wagten den Heimweg. Der Zwingerbunker füllte sich schnell, und man sah daraus, welches Ausmaß die Zerstörung angenommen hatte.
»Hat denn der Himmel mich verlassen? Die Vorsicht ganz ihr Aug' gewandt?« (Max in »Der Freischütz«)
DÖ: Wenn ich heute, mit 78 (2016 Anm. d. R.), die Ereignisse um den 13./14. Februar 1945 herum in mir wieder aufleben lasse, kann ich nicht sagen, das Grauen dieser Tage erfüllt mich immer noch. Eigentlich war es nie wirklich ›in mir‹, zumindest nicht so, dass es mich dominiert hat. Ich sehe mich eher als »daneben stehende Person«.
DÖ: »Als der Morgen nach dieser entsetzlichen Nacht graute – so richtig hell wurde es wegen der herrschenden Rauchwolken nicht –, nahm ich den Weg über den gebirgig zerwühlten Zwingerteich zu meinem Haus, von dem ich schon gehört hatte, dass es bei dem zweiten Angriff völlig zerstört wurde. …
Ja, ich stand nun vor meiner Hausruine, fast keines Gedankens fähig. Wenn Gerhard Hauptmann gesagt hat, er habe beim Anblick der zerstörten Stadt das Weinen wieder gelernt, so muss ich sagen, dass ich es verlernt hatte. Nicht eine Träne ist aus meinen Augen geflossen. Was nun?, dachte ich stumpf und völlig mit mir allein gelassen. In der Annahme, dass nur die Innenstadt betroffen wurde, nahm ich mechanisch meinen Weg elbwärts.«
»O dringt kein Strahl durch diese Nächte? Herrscht blind das Schicksal? Lebt kein Gott?« (Max in »Der Freischütz«)
Es war Anfang Juli 1945, als alle Angehörigen der Staatskapelle mit ihren Betreuern in die Heimat zurückfuhren. Ich gehörte mit zum letzten Trupp, der meiner Erinnerung nach am 6. Juli ankam. Man hatte die damalige Tonhalle (später »Kleines Haus«, Anm. d. R.) als Interimstheater eingerichtet. Bewährte Schauspieler hatten schon Pionierarbeit geleistet, so dass am 10.7. 1945 die Bühne der Tonhalle bereits »Nathan der Weise« darbot. Am 12.7. folgte ein Opernkonzert unserer namhaften Solisten mit Klavierbegleitung daselbst. Und am 16. Juli erklang im Kurhaus Bühlau (der »Kunstscheune«) das erste Sinfoniekonzert der Kapelle, unter Leitung des neugewonnen Dirigenten Joseph Keilberth. +++
Am 6. April 1991 stirbt Jorge Gomondai in Dresden. Er ist 28 Jahre alt. Jorge Gomondai ist das erste Todesopfer rassistischer Gewalt in Sachsen nach der Wiedervereinigung.
Die Bautzner Straße 20 war ein sg. Judenhaus. 1942 werden alle Bewohner des »Judenhauses« Bautzner Straße 20 deportiert.
1942 werden alle Bewohner des "Judenhauses" Bautzner Straße 20 deportiert. Herta Steinhart gelang nach der Reichspogromnacht im Jahre 1938 die Flucht nach England im Alter von fast 23 Jahren. Dort arbeitete sie für den Jewish World Congress. Sie änderte ihren Namen in Harriet. Im Jahre 1947 wurde sie von Dr. Manfred Saalheimer zum Canadian Jewish Congress geholt und emigrierte nach Kanada. Später heiratete sie Dr. Saalheimer und nahm seinen Namen an. Harriet arbeitete später als Journalistin und veröffentlichte mehrere Bücher. Am 5. November 2013 starb Harriet Saalheimer, kurz vor ihrem 98. Geburtstag in Montreal, Kanada. Ihr Bruder Alfred Steinhart wurde 1943 nach Auschwitz deportiert und gilt seither als verschollen.